Senior Money Management: Programme, Dienste und Unterstützung
Die Verwaltung Ihres Geldes ist in jedem Alter nicht einfach, aber wenn Sie älter werden, kann es noch schwieriger werden. Von der Begleichung Ihrer Rechnungen bis hin zur Gewährleistung der Sicherheit Ihres Geldes vor Betrug ist dies ein Bereich im Leben eines älteren Menschen, der sorgfältig bedacht werden muss, bevor ein Problem auftritt. Glücklicherweise gibt es Dienstleistungen und Programme, die Ihnen dabei helfen können.
Geldmanagement-Programme
Wenn es um die Geldverwaltung für Senioren geht, kann allein der Papierkram schon überwältigend wirken. Dies gilt besonders, wenn jemand an körperlichen oder geistigen Erkrankungen leidet, die seine körperlichen Fähigkeiten belasten oder seine kognitiven Fähigkeiten einschränken. Wenn dann noch Berge von verwirrenden Arztrechnungen und Versicherungsabrechnungen hinzukommen, ist das ein Rezept für eine Katastrophe. Vor diesem Hintergrund gibt es eine neue Art der Unterstützung bei der Geldverwaltung, die als tägliches Geldmanagement für Senioren bezeichnet wird.
Tägliches Geldmanagement deckt eine breite Palette von Dienstleistungen ab, wie z.B.:
- Bezahlen von Rechnungen
- Aktenführung
- Einzahlungen vornehmen
- Prüfen von Arztrechnungen
Diese Art von Service wird sogar Ihre Arztrechnungen überprüfen, um sicherzustellen, dass Medicare und Ihre Versicherung den vollen Betrag zahlen. Schließlich wird Ihnen jemand, der die tägliche Geldverwaltung übernimmt, auch dabei helfen, die notwendigen Unterlagen für Ihre Einkommenssteuererklärung zusammenzustellen. All dies findet normalerweise bei Ihnen zu Hause statt.
Zusätzliche Geldmanagement-Dienstleistungen für Senioren
Tägliches Geldmanagement kann teuer sein, da die Anbieter routinemäßig zwischen $40 und $80 pro Stunde verlangen. Wenn Sie also nach etwas weniger Kostspieligem suchen, machen Sie sich keine Sorgen, es gibt andere Optionen.
Budgetpulse ist eine Website, die es Ihnen ermöglicht, Ihre finanziellen Informationen manuell hochzuladen, so dass Sie ein Budget erstellen und Ihre monatlichen Ausgaben verfolgen können. Sie können auch monatliche Sparziele angeben. Dies ist eine großartige Website für diejenigen, die nicht wollen, dass ein Dritter Zugriff auf Ihre Finanzkonten hat, der dann automatisch Ihre Informationen hochlädt.
Prism ist eine App, mit der Sie Ihre Rechnungen verfolgen können. Sie hilft Ihnen auch dabei, sicherzustellen, dass sie pünktlich bezahlt werden. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Rechnungen über die App zu bezahlen, oder Sie können sie so bezahlen, wie Sie es normalerweise jetzt tun.
Mint ist eine wirklich beliebte Option für das Geldmanagement älterer Menschen. Es ist einfach zu bedienen und gibt Ihnen die Informationen, die Sie brauchen, um den Überblick über Ihre Finanzen zu behalten. Es ist sowohl eine Website als auch eine App, so dass Sie es auf Ihrem Desktop, Tablet oder sogar Ihrem Telefon verwenden können. Mint verfolgt Ihre Ausgaben und sendet Ihnen Warnungen, wenn Sie Ihr Budget überschritten haben. Es hält alle Ihre Rechnungen und Konten an einem Ort, so dass Sie nichts vergessen können. Es schickt Ihnen auch eine Benachrichtigung, wenn eine Ihrer Rechnungen fällig wird.
Darüber hinaus gibt es ein AARP-Geldverwaltungsprogramm, das Menschen mit Behinderungen und einkommensschwachen Senioren Geldverwaltung bietet. Dies ist ein kostenloser Service. Wenden Sie sich an AARP, um zu erfahren, wie Freiwillige Ihnen helfen können.
Es gibt viele Möglichkeiten für Senioren, die mit Geldmanagementproblemen zu kämpfen haben. Niemand sollte das Gefühl haben, dass er nicht die Hilfe bekommen kann, die er braucht. Denken Sie einfach daran, dass das beste Geldmanagementprogramm letztendlich das ist, mit dem Sie sich am wohlsten fühlen.
Kriegsende in Hamburg Von Elfriede Bock
Bei Kriegsende 1945 war ich 16 Jahre alt. Ich lag mit Lungenentzündung im Krankenhaus Wandsbek-Gartenstadt. Ich erinnere mich nur vage daran. Die letzten Wochen vor der Kapitulation war ich öfter zusammengebrochen vor Hunger, Kälte, Nässe und totaler Erschöpfung durch die allnächtlichen Bombenangriffe. Wir mussten jede Nacht raus. Der Weg in unseren Bunker an der Dorotheenstraße war ein einziger Hindernislauf über Straßenbarrikaden, die als „Panzersperren“ dienen sollten. Als ob die noch geholfen hätten!
In Panik hörte ich die Radio-Meldungen über die Zerstörung von Berlin mit Stalinorgeln und Flammenwerfern! Wir hörten den ständigen dumpfen Geschützdonner aus der Gegend um Harburg herum und erwarteten nun auch bei uns stündlich das gleiche Schicksal. Wer Stalinorgeln und Flammenwerfer einmal in der Wochenschau gesehen hatte, konnte sich ausmalen, was uns bevorstand. Es hatte ja so kommen müssen! Hoffentlich würde unser Statthalter, der Hamburger Gauleiter Kaufmann unsere Stadt den Alliierten kampflos übergeben! Gegen den Willen Adolf Hitlers!? Der hatte sich ja vor einigen Tagen in seinem Wahnsinn das Leben genommen und sich damit der Verantwortung für sein „geliebtes Volk“ entzogen. Das hätte er man schon viel früher tun sollen.
Die Straßensperren hatten mir die letzte Kraft genommen. Ich war so schwach auf den Beinen und konnte den Weg über die meterhohen Hürden bald nur noch kriechend bewältigen. Und das fast jede Nacht ein- oder zweimal hin und zurück. Bis ich schließlich einmal liegen blieb und zunächst nicht wieder aufstehen konnte. Am nächsten Tag mußte ich ins Krankenhaus – zu Fuß! – nach Wandsbek Gartenstadt. Meine Stiefmutter begleitete mich. Drei Stunden hat es gedauert, bis wir dort ankamen. Bahnen oder Autos konnten wegen der Straßensperren ja nicht mehr fahren. Meine Stiefmutter war ebenfalls am Ende ihrer Kräfte.
Wir wohnten damals am Krohnskamp, gegenüber der Matthäuskirche, zu dritt auf einem Zimmer: Mein Vater, meine Stiefmutter und ich. Meine Schwester und meine Mutter waren bei Verwandten in Augsburg geblieben. Ich wäre auch gern dort geblieben, sie hatten weniger Fliegerangriffe und mehr zu essen. Aber ich war Lehrmädchen in Hamburg und musste zurück. Mein Vater war bei der Polizei nachts im Einsatz.
Wenn meine Stiefmutter und ich endlich im Bunker ankamen, waren bereits alle Plätze besetzt. Wir mussten stehen, und ich konnte nur keuchen und weinen. Oft gaben meine Beine nach. Das Krankenhaus war deshalb eine Erlösung für mich. Ich war so dankbar! Dort ging es mir auch gleich besser. Wir Kranken bekamen gute Butter und Weißbrot, viel Milch und Grießbrei, und am frühen Abend wurden wir in unseren Betten in den Keller gebracht. Das Pflegepersonal war gut zu uns. Sie legten mich mittags sogar in die pralle Maiensonne. Das jedoch ist verkehrt für Lungenkranke, ich bekam einen Sonnenstich. Das war übel, machte meine Lunge wieder krank, und ich musste sehr viel von dem guten Essen erbrechen, was mein Körper doch zum Aufbau gebraucht hätte.
Am Tage der Kapitulation hörten wir durch die geschlossenen Krankenhausfenster die alliierten Panzer in Hamburg einrollen. Aber es fiel nicht ein Schuss! Die Bevölkerung hatte striktes Ausgehverbot, Türen und Fenster mussten fest verschlossen bleiben. Niemand durfte sich am Fenster sehen lassen, niemand hinausgucken! Ich erinnere mich, dass zwei englische Soldaten mich am nächsten Tag auf eine Trage legten und wir alle in das Barmbeker Krankenhaus umquartiert wurden. Das schöne Krankenhaus Wandsbek-Gartenstadt wurde ab diesem Tage Lazarett für die Alliierten. In Barmbek bekamen wir Kranke kaum noch Zuwendung. Die Krankenschwestern wurden abgezogen, der Küchenbetrieb eingeschränkt. Unsere „Befreier“ hatten nun Vorrang! Aber wir hatten keine nächtlichen Angriffe mehr, wenn uns auch die geringe Lebensmittelzuteilung bös‘ zusetzte.
Als ich entlassen wurde, bekam ich Hungerödeme. Aber wir konnten nachts durchschlafen, keine Fliegerangriffe mehr, keine Nachtwanderungen in den Bunker.
Der Winter 1945/46 war der schwerste, den wir kennen lernen sollten. Wir hatten im Büro nur „Rollglas“ vor den Fenstern, und ich schrieb mit zusammengeflickten „Fausthandschuhen“ auf der eisernen Schreibmaschine. Bald verheizten wir das Linoleum in kleinen Stücken im Kanonenofen, weil wir sonst erfroren wären.
Inzwischen wohnten wir in einer großen Souterrainwohnung, hatten aber keine Feuerung. Mein Vater musste mit anderen nachts als „Kohlenklau“ tätig werden. Es war aber nicht die Bahn-, sondern die Military Police der Engländer, die die frierenden Menschen am Kohlenklauen hindern sollten. Die Züge kamen nicht einfach angerollt und blieben auf den Geleisen stehen zur Selbstbedienung, man musste hinaufklettern während der Zug noch fuhr! Die Leute wussten ganz genau, wo der Zug langsam an ein Signal heranrollte oder gar stehen blieb, und wann! Da war z.B. der Verschiebebahnhof in Rothenburgsort. Dann sprangen sie auf und kletterten mit dem leeren Sack hinauf. So passierte es, daß schon mal einer beim Anrücken der Lok hinunterstürzte auf die Geleise oder zwischen die Puffer geriet und nicht mehr weglaufen konnte. Die MP war angehalten, die Leute zu warnen und notfalls sofort zu schießen. Auch Hunde wurden eingesetzt! Und Scheinwerfer. Es waren viele Schuljungen dabei! Wenige konnten mit dem gefüllten Sack wieder nachhause rennen. Aber manche hatten eben Glück, und die waren maßgeblich für die anderen, um zu überleben.
Morgens, wenn ich aufwachte, war in meinem Zimmer das Schwitzwasser an den Wänden neben dem Bett gefroren und vor meinem Mund hing Eis an dem Schaffell, das mein Vater besorgt hatte und mir abends über meine Bettdecke legte, damit ich nicht über Nacht erfror.
Erst als wir schon fast verhungert waren, durften wir in der Berufsschule an einer Schwedenspeisung teilnehmen. Es gab einmal die Woche dicke, süße Suppe oder Erbsensuppe. Aber wir waren jung und im Wachstum, und unser Hunger war so groß, dass wir alles aßen, was nur irgendwie essbar schien. Steckrüben bekamen wir reichlich, morgens, mittags, abends, roh, gekocht oder gebraten. Eine Delikatesse war Milchpulver mit Wasser angerührt. Das Beste war noch die Wurstbrühe, die meine Stiefmutter beim Schlachter holen konnte, ich glaube, einmal die Woche ein Kochgeschirr voll für uns drei Personen.
Die Engländer montierten in Hamburg in den Industriebetrieben alles ab, was noch heil geblieben war und was sie gebrauchen konnten: „Reparationen“ nannte man dies. Und nun wollten sie uns aushungern……!
Und trotz all der Nöte, wir waren so dankbar, das sie uns nun nicht mehr bombardierten, dass wir nachts nicht mehr um unser erbärmliches Leben rennen mussten. Ich erinnere mich noch gut, wie ich am Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus auf den ehemaligen Adolf-Hitler-Platz, nun Rathausmarkt genannt, ging. Die Lunge war wieder gesund, ich schaute mich um, die Sonne schien, da überkam mich ein Hochgefühl: „Nun kann mir nichts mehr geschehen, alles andere werde ich durchstehen, denn das ganze Leben liegt noch vor mir! Nur nie im Leben wieder Krieg und Terrorangriffe!“
Kriegsende in Hamburg von Klaus Hückel (Jhrg. 1934)
Mitte März 1945 kam ich – damals 11 Jahre alt – von Hamburg aus in ein KLV-Lager nach Kellenhusen an der Ostsee. „Haus Olga“, eine grössere Pension, die mit Etagenbetten ausgerüstet war. Unser Jungzugführer war ein Fünfzehnjähriger. Dieter. Wie konnte man bloß Dieter heißen! Rosiges Milchgesicht, aber Schipporden! Das war ein Ordensband, das man fürs Panzergrabenausheben bekam. Schwarzweißorangefarben. Sah fast wie das EK zwo aus. Darum beneideten wir ihn schon, aber Respekt hatten wir kaum vor ihm. Bei einem Ausmarsch schlug einer von uns immer mit der Hand auf einen seitlich verlaufenden Zaundraht. Unser Milchgesicht befahl ihm, das zu unterlassen. Aber der kümmerte sich nicht darum! Das war das erste Mal, daß ich erlebte, wie einem Befehl nicht gehorcht wurde. Eigentlich nicht zu fassen! Befehlsverweigerung? Bei Soldaten gab es da nur Standgericht. An die Wand gestellt und über den Haufen geschossen.
Die Front rückte dichter heran. Vor allem die Sowjets näherten sich bedenklich der Lübecker Bucht. Wir hungerten wie verrückt. Das Essen bestand morgens aus Buttermilchsuppe, die wir mithelfen mussten zu kochen. Da standen wir Steppkes vor diesem riesigen Hotelküchenherd, auf ihm ein enormer Kessel mit Buttermilchsuppe. Und wir rührten – auf Zehen stehend – an der Oberfläche dieser Suppe herum. Natürlich brannte die an. Und klüterig wurde sie auch noch. Fraß.. Mittags und abends gab es meistens Rote Beete. In Scheiben, in Würfeln, gemust. Fraß. Kaum gesäubert und mit allen faulen Stellen – es war ja Ende Winter! Entsetzlich. Um unseren Hunger zu stillen, brachen wir Zuckerrübermieten auf. Die jungen Zuckerrüben waren essbar, die großen dagegen – bäh! Fraß. Lieber hungern. Bei einem Höker im Dorf konnte man Zwiebeln und künstlichen Pfeffer ohne Lebensmittelmarken bekommen. Das schmeckte ja geradezu köstlich!
Viele Schüler, der Ort wimmelte von KLV-Lagern, flüchteten allerdings. Morgens gegen 4 Uhr hauten sie ab, marschierten zum nächsten Bahnhof, nach Lensahn, und fuhren von da mit einem Frühzug über Lübeck nach Hamburg. Oder aber ab Richtung Dänemark. Wenn die Lagerleitungen dann morgens die Zimmer leer vorfanden, waren die Jungs längst in Sicherheit, also da, wohin sie wollten.
Hamburg war zur Festung erklärt worden. Aha, allmählich würde es ernst werden. Wir sahen Wehrertüchtigungsfilme und Wochenschauen. HJ-Regimenter im Einsatz. Rauf auf den feindlichen Panzer, Deckel aufgerissen, Handgranate hineingeworfen. Peng – alle Russen hopps. So einfach würde das gehen. Das würden auch wir schaffen. Klar. Wann wir wohl endlich gerufen würden? Die Bolschewiken rückten immer näher. Die Bauern schlachteten schon mal ihr Vieh. Nun gab es plötzlich jede Menge Fleisch. Gulasch, Frikadellen, Braten. Auf Beilagen konnte man jetzt gut verzichten. Rote Beete ade! Gelegentlich erlebten wir Luftkämpfe mit. Eigenartigerweise habe ich nie den Verlust einer deutschen Maschine gesehen. Aber etliche Tommies, die in die Ostsee stürzten. Sieg heil nach wie vor!
Eines späten Nachmittags hieß es, am Abend würde ein Bus nach Hamburg fahren. Wer wolle, könne mit. Ab in die Heimat. Ich stand vor einer schweren Frage. Schließlich hatten meine Eltern mir bei der Abreise aus Hamburg zu verstehen gegeben, daß ich bloß in Sicherheit bleiben sollte. Dennoch – alle fuhren, also fuhr auch ich. Mit einem reichlichen Vorrat an Frikadellen. Nachts schlich sich der Bus bei sternklarem Himmel und ohne Beleuchtung die Landstraße entlang. Immer schön unter Bäumen. Aber ein feindliches Flugzeug hatte uns wohl doch entdeckt und kreiste um uns herum. Alle Mann raus und in geduckter Haltung im Straßengraben weg vom Bus. Klasse. Soldaten im Schützengraben! Irgendwann verlor der Feindflieger dann wohl das Interesse an uns und zog ab.
In Hamburg angekommen erwischte ich frühmorgens die Straßenbahn Linie 16 Richtung Hagenbecks Tierpark. Keine Fensterscheiben. Alles mit Holz abgedichtet. Abgesplitterte Email-Schilder „Beim Niesen, Husten, Spucken bediene Dich des Taschentuchs“ und am Ausgang „Linke Hand am linken Griff“.. So trudelte ich Ende April 1945 wieder bei meinen Eltern ein, die dann doch sehr froh waren, daß ich mitgefahren war. Mit unseren Nachbarn hörten wir im Radio vom Tod Adolf Hitlers, unseres heißgeliebten Führers, der in heldenhaftem Kampf gegen den Bolschewismus gefallen war. Ich stellte mir vor, wie Hitler mit Handgranaten in den Händen auf irgendwelchen Panzersperren kämpfte und vom Feind erschossen wurde. Bei dem Gedanken heulten wir alle schnapslange Tränen. Was sollte nun bloß werden?
Aber erst einmal ab zu unserem Bunker, den wir jetzt immer abends aufsuchten. Die Front war so nahe, daß ein Fliegeralarm nichts mehr genützt hätte. Wir brauchten fast eine Viertelstunde bis zum Bunker. Alles Wichtige lag schon da. Nur noch, was erneuert werden musste, transportierten wir dorthin. Z. B. Verpflegung. Und daran war in diesen Tagen so gut wie kein Mangel! Gauleiter Karl Kaufmann hatte die Lebensmittellager geöffnet. Es gab jede Menge Sonderrationen. Kiloweise Fleisch und haufenweise Butter beispielweise. Wir hatten zum Glück aus Kronach /Oberfranken(meinem ersten Aufenthalt in der KLV) etliche Steinguttöpfe mitgebracht. Darin konnte man Butter, extra kräftig nachgesalzen, lange aufbewahren. Noch im Sommer hatten wir davon. Allerdings leicht ranzig.
Am Abend des 3. Mai waren wir wieder auf dem Weg zum Bunker, als wir auf der anderen Straßenseite eine Gruppe von etwa dreißig Menschen vor einem geöffneten Fenster stehen sahen. Man hörte aus dem Radio Staatssekretär Ahrens, Onkel Baldrian genannt wegen seiner immer beruhigenden Kommentare zur Luftlage, der eine Ansprache Karl Kaufmanns ankündigte. Und dann hörten wir Kaufmann. Hamburg habe kapituliert. Die Briten würden am nächsten Tag in Hamburg einmarschieren. Ausgehverbot mit ganz wenigen Ausnahmen. Noch wenige Tage zuvor Heulen und Zähneklappern, weil Hitler gefallen war. Und jetzt? Nichts. Weder Trauer noch Entsetzen, aber auch keine Freudenausbrüche. Resignation, Erleichterung bestenfalls.Wir machten kehrt und schliefen ohne Bombengefahr in den Frieden hinein. Dummerweise hatte ich doch tatsächlich noch unsere Verbandstasche verloren. Zu ärgerlich, fast neu. Aber andererseits – sie war auch überflüssig geworden! Zum Glück! Zum Glück? Naja….
Am nächsten Tag war herrliches Frühlingswetter. Und alles still. Keine Straßenbahn, die sonst nur wenige zig Meter von uns entfernt vorbeizufahren pflegte. Kein Fliegeralarm. Stille – und das nicht einmal Stille vor dem Sturm. Dabei hatten wir doch die ganzen Tage mit einer Schlacht um Hamburg gerechnet. Nach meiner Rückkehr aus Kellenhusen hatte ich mit einigen Mitschülern noch die Verteidigungsmöglichkeiten in unserer näheren Umgebung erkundet. Klar, da ging es: Die Methfesselstraße war an der Kreuzung zum Eidelstedter Weg durch eine Panzersperre dicht gemacht. Tiefer Graben und Doppel-T-Träger. Da kam kein Panzer durch. Und auf der linken Seite der Kaiser-Friedrich-Straße (heute Hagenbeckstraße) gab es ein Grundstück, das mit einer hohen Mauer umfasst war, aber eine Öffnung hatte. Da könnte man doch stehen, bewaffnet mit ner Panzerfaust. Und wenn dann etwa ein Panzer – aus Richtung Hagenbeck kommend – vor der Panzersperre halten müßte, würde man den ganz bequem abknallen. Daran muß ich immer denken, wenn ich mal wieder den Film „Die Brücke“ sehe: Wir waren so eingestellt! Die geistige „Vorbereitung“ vor allem im KLV-Lager in Kellenhusen hatte gewirkt.
Schon nach kurzer Zeit wurde das Ausgehverbot etwas gelockert. Mit meinem Braunhemd, jetzt natürlich blau eingefärbt, machte ich einen ersten Erkundungsausflug. Ecke Eidelstedter Weg und Methfesselstraße vor der Kneipe „Tüxen“ lagerte eine Gruppe britischer Soldaten. Baumlang. Dagegen waren ja unsere SS-Leute geradezu klein! Und dann deren Panzer! Wie Einfamilienhäuser. Aber auch ganz kleine Kettenfahrzeuge, in denen der Fahrer liegen musste, sausten wie verrückt durch die Gegend. Und dann erst die Jeeps. An den Seiten offen, ein Bein lässig raushängen.
Die Besatzungszeit war am Anfang geprägt von allen möglichen Bekanntmachungen der Alliierten. „I, Dwight D. Eisenhower…..“ Komische Namen. Montgomery. Sah eigentlich ganz gut aus, fast lustig. Ich kann mich nicht entsinnen, daß es irgendwelche Abneigungen gegen die feindlichen Truppen gab. Auch unser Nachbar, alter Kämpfer aus den Zwanzigerjahren, rechter Arm im Ersten Weltkrieg ab, noch geheult bei Hitlers Tod, jetzt ganz gefasst.
„This is Radio Hamburg, a station of the British Military Government“. Und später „BFN“. Jazz-Musik. Noch vor wenigen Wochen verboten. Jetzt Benny Goodman und Louis Armstrong und Glenn Miller. Und dann erst die Andrew Sisters mit „Bei mir bist Du scheen“.. Was war deutsche Tanzmusik dagegen? Theo Mackeben und Franz Grothe? Rudi Schuricke, genannt Schwulicke? Nein, jetzt gaben „Chattanooga Choo Choo“ und „Moonlight Serenade“ den Ton an. Ein Ansager des BFN, des British Forces Network in Germany, wurde schnell auch bei deutschen Hörern bekannt und beliebt, Chris Howland. Seine Popularität riet ihm später, zum NWDR, dem Nordwestdeutschen Rundfunk, zu gehen. Und von dort her vermittelte er uns dann Jazz in allen Variationen, dieser Mr. Pumpernickel. Deutscherseits wurde allerdings eine Gruppe unglaublich populär, die sich King-Cole-Trio nannte (nicht zu verwechseln mit dem späteren Nat King Cole – Trio) und „Wasser ist zum Waschen da, falleri und fallera, auch zum Zähneputzen kann man es benutzen“ und vom „Russischen Salat“ sang. Leider verschwand sie so schnell, wie sie gekommen war. Merkwürdig.
Nachrichten von Konzentrationslagern. Naja, das war natürlich die übliche Lügenpropaganda. Das konnte man ja nun wirklich nicht glauben. Zehntausende, Hunderttausende ermordet. Wer’s glaubt…..! Die wollten uns wohl für dumm verkaufen! Reeducation. Irgendwann gab es die Anordnung, daß sich jeder Erwachsene Filme mit Aufnahmen aus Konzentrationslagern anzusehen hätte. Der Filmbesuch würde in der Stammkarte, die zum Bezug von Lebensmittelkarten nötig war, vermerkt werden. Kein Vermerk – keine Lebensmittelkarten. Aber schließlich verlief auch das im Sand.
Tja, nun war ja Frieden. Aber wie würde die Zukunft aussehen? Wie würde es z. B. um „Brennstoffe“, also Kohlen, stehen? Die Aussichten waren schlecht. Klar, die Besatzungsmächte würden natürlich zunächst einmal für sich selbst sorgen und unsere Bergwerke ausplündern. Also – erst mal die Straßenbäume abgesägt, und dann ab in die Wälder und Holz geklaut. Für Eimsbüttel bot sich das Niendorfer Gehege an. Meine Eltern lehnten das Holzklauen jedoch ab. Diebstahl blieb Diebstahl. Aber eines Tages zogen meine Mutter und ich zusammen mit einem Nachbarsjungen, der einen kleinen Bollerwagen hatte, doch zum Niendorfer Gehege. Oft wurden von den Bäumen ja nur die Stämme geklaut. Die Krone blieb dann liegen. Und davon nahmen wir uns mit, soviel wir konnten. Mein Vater war noch immer nicht beeindruckt. Schließlich aber konnte ein Nachbar, der über eine richtig große Bandsäge sowie über Keile und Vorschlaghammer verfügte, ihn denn doch überreden. Als wir aber dann am nächsten Tag beim Niendorfer Gehege ankamen, war der Zugang durch Polizei gesperrt. Ein junger Mann, der sich als Revierförster vorstellte, bot nur an, daß wir in vierzehn Tagen zum Stubbenroden kommen könnten. Und das haben wir gemacht. Mein Vater morgens in aller Herrgottsfrühe hin zum Gehege. Meine Mutter und ich mittags zur Verstärkung nachgerückt. Mit Essen. Bohnenmehlsuppe. Ausgebratene Mettwurst zur Geschmacksverbesserung darüber. Unsere Vorräte an Lebensmitteln waren noch beachtlich.
Das Stubbenroden war Schwerstarbeit. Vor allem, weil man – trotz Bohnenmehlsuppe – irgendwie zu wenig in den Knochen hatte. Und mein Vater, von Beruf Buchhalter, war ja an so schwere körperliche Arbeit schließlich gar nicht gewöhnt. Und gesund war er sowieso nicht. Meine Mutter hatte natürlich auch nicht gerade besonders viel „Knöf“, ganz zu schweigen von mir mit meinen elf Jahren. Aber wir hielten durch und machten auf den Revierförster offenbar einen so guten Eindruck, daß er meinem Vater anbot, als Waldarbeiter bei ihm anzufangen. Hurra – die Brennstoffprobleme waren damit gelöst. Zwölf Festmeter oder achtzehn Raummeter Holz pro Jahr als Deputat und außerdem jeden Tag soviel Holz, wie mein Vater auf seinem Fahrrad transportieren konnte. Er quälte sich schrecklich ab.
In der folgenden Zeit hatten wir so immer viel Besuch, der sich bei uns aufwärmen oder backen wollte. Und wenn wir jemanden besuchten, nahmen wir einen Karren Holz mit. Statt Blumen sozusagen.
Schule gab es noch nicht. Aber ein Mitschüler hatte Privatunterricht bei Fräulein Mathilde Langenberg, Jahrgang 1874. Sechzig Jahre später war sie als Lehrerin an der fortschrittlichen Versuchsschule Telemannstraße wegen ihrer SPD-Zugehörigkeit zwangspensioniert worden, hatte in ihrer Wohnung, Heußweg 98, einen Unterricht in zwei Klassen aufgezogen. Eine Klasse morgens, eine nachmittags. Schulgeld 1,50 RM pro Woche. Und wir lernten wohl ganz eifrig. Als im Oktober 1945 dann die Schulen ihren Betrieb wieder aufnahmen, endete dieser Privatunterricht natürlich ziemlich schnell. Aber ich blieb noch. Konnte ja nicht schaden. Und als nach einem Jahr zusätzlicher Unterricht nicht mehr nötig war, fing ich an, bei ihr schon mal Latein zu lernen. Das sollte ja in der 7. Klasse ohnehin kommen. Frühstart einmal die Woche. Donnerstags. Bezahlen musste ich alsbald nichts mehr, dafür brachte ich immer einen Korb Holz für ihre „Kochhexe“, eine Art Primitivst-Ofen, mit.
Der reguläre Unterricht fand zunächst in der Ausweichschule in der Bismarckstraße statt. Eines Tages bekamen wir einen neuen Schüler, der uns von unserem Schulleiter Dr. Strempel höchstpersönlich vorgestellt wurde. Rothaarig. Schon schlecht. Jüdisch. Aus dem KZ Theresienstadt. Na, das hatte uns gerade noch gefehlt. Der bei uns, die wir doch noch immer irgendwie beleidigt waren, daß man uns nicht hatte siegen lassen! Und die mit Demokratie noch nicht recht etwas anzufangen wussten. Die wir doch alle im Jungvolk gewesen waren und vor noch nicht allzu langer Zeit gelernt hatten, daß die Juden unser aller Unglück seien. „Mobbing“, den Ausdruck gab es damals noch nicht. Aber wir praktizierten es schon mal gegenüber diesem Jungen. Der hatte nichts zu lachen. Eines Tages war er verschwunden. In die SBZ, die Sowjetische Besatzungszone, geflüchtet. Wir wurden von Dr. Strempel fürchterlich zusammengestaucht. Aber beeindruckt hatte uns das nicht.
Auf dem Sportplatz gegenüber unserer „richtigen“ Schule, also auf dem Sparbier-Platz, veranstalteten die britischen Besatzungssoldaten Motorrad-Rennen, sog. Dirt Track-Rennen. Engste Kreise, ein Fuß zum Abstützen auf dem Boden. Der Dreck flog uns nur so um die Ohren. Aber derartige Veranstaltungen, die wir bisher gar nicht kannten, machten uns die Besatzer richtig sympathisch. Später gab es sogar Motorradrennen im Stadtpark. Auch deutsche Fahrer waren da zugelassen. Schorsch Meyer auf BMW 500 Kompressor. Über 200 Stundenkilometer konnte er damit schaffen! Hängte jeden Engländer ab. Na also!
Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher Göring & Co. Dönitz dabei. Das war ja unerhört! Der war doch Soldat und somit schon allein deswegen kein Verbrecher? Und wieso Hans Fritzsche? Wegen der paar Reden, die er als zweiter Mann in Goebbels Propagandaministerium halten musste? Schacht? Naja, der war unsympathisch. Und erst von Papen. Aber sonst? Rundfunkübertragungen aus dem Gerichtssaal. Ha, wie Göring sich verteidigte. Der redete die Anklage ja geradezu gegen die Wand! Ein Reporter, ich meine, er hieß Zimmermann, war besonders engagiert. Höchst unbeliebt bei uns. Eines Tages war er abgelöst: Es hatte sich herausgestellt, daß er gar nicht der große Nazi-Gegner war, als den er sich ausgegeben hatte, sondern im Gegenteil selbst handfester Nazi. Das war ja zum Brüllen komisch! Hatte der doch die Siegerjustiz wochenlang an der Nase herumgeführt.
Bei der Urteilsverkündung wurde jeder Freispruch und jedes Urteil, das nicht „death by hanging“ lautete, mit Freude und Genugtuung aufgenommen. Nein – alle diese Vorwürfe waren unerhört. Unsere Leute waren doch keine Mörder! Es hat lange, sehr lange gedauert, bis die Bevölkerung endlich begriff – wir hatten eine Verbrecherregierung gehabt. Allerdings: „Aber nun muß endlich mal Schluss sein!“ Dieser Satz fiel schon 1945/46. Er fällt noch heute, rund 60 Jahre danach. Und ich denke, zu oft von Leuten, die sich nie wirklich mit unserer Vergangenheit auseinandergesetzt haben.
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